Igel

Erste Hilfe
Kurzinfo: Wann eingreifen?
Eingreifen ist nötig, wenn der Igel
- sichtbar verletzt, apathisch, blutend, stark unterkühlt, voller Fliegeneier/Maden ist oder sich in akuter Gefahr (z. B. Straße, Katze im Anmarsch) befindet.
- einen Hungerknick hat (“Nacken”/Einbuchtung hinter dem Kopf sichtbar)
- röchelt oder hustet
- sehr klein, geschwächt oder tagsüber unterwegs ist (Igel sind nachtaktiv).
- offensichtlich verlassen ist
Achtung:
Wenn der Nachwuchs da ist, ist das Muttertier auch öfters tagsüber unterwegs um Nahrung zu suchen
Bei verletzten erwachsenen Igeln immer prüfen, ob es eine säugende Mutter ist und ggf. sofort die Umgebung nach dem Nachwuchs absuchen!
Sichern vor Fressfeinden:
Igel unbedingt sofort vor Hunden, Katzen, Krähen oder neugierigen Menschen schützen.
Lärm, hektische Bewegungen oder zu viel Licht vermeiden – Igel sind bei Stress besonders anfällig für Kreislaufprobleme.
Fliegeneier & Maden absammeln
Kontrolliere Augen, Ohren, After und Fell gründlich. Fliegeneier sehen aus wie kleine weiße Reiskörner
. Umgehend vorsichtig mit feuchtem Wattestäbchen und/oder sauberem Maskarabürstchen entfernen.
Sind geschwollene Zitzen zu sehen: Unbedingt die Umgebung am Fundort sofort gründlich nach Igelbabys absuchen:
Ab 2 Stunden ohne Mutter beginnt bei Igelbabys die Mangelversorgung, ab 6 Stunden ohne Mutter besteht Lebensgefahr!
Richtig unterbringen:
In einen geschlossenen Karton mit Luftlöchern setzen. Grifföffnungen unbedingt abkleben!
Größe: mind. 40 × 30 cm, Höhe mind. 30 cm – sie sind sehr gute Kletterer!
Innen mit weichem, stoffbezogenem Wärmekissen & Handtuch ausstatten, eine flachere Versteckmöglichkeit (z.B. umgedrehter Karton mit Einschlupfloch) hilft beim Stressabbau.
Nicht Füttern!
Niemals auf eigene Faust Milch, Wasser oder Futter geben!
Wenn alle Fliegeneier & Maden abgesammelt sind: direkt die Fachhilfe kontaktieren → Falsches und/oder zu frühes Füttern kann tödlich sein!
Fachhilfe suchen
Nutze unsere Umkreissuche für Wildtierstationen oder rufe direkt bei einer Igelstation an.
Je schneller, desto besser für das Tier.
Warmhalten – aber nicht überhitzen
Unterkühlte Jungtiere oder apathische Igel können durch Wärme stabilisiert werden:
→ Eine lauwarme Wärmflasche oder ein Körnerkissen unter eine Ecke der Box legen (gut in ein Tuch gewickelt, nie direkten Kontakt!).
⚠️ Achtung bei Überhitzung: Hecheln, Unruhe oder Fluchtversuche sind Warnzeichen!
Allgemeine Informationen
Der Braune Igel (Erinaceus europaeus) ist in ganz West- und Mitteleuropa verbreitet – von Portugal bis nach Skandinavien. In der Schweiz, Deutschland und Österreich ist er der einzige wild lebende Igel. In östlicheren Regionen wird er vom Nördlichen Weißbrustigel (E. roumanicus) abgelöst. Beide Arten sind streng geschützt.
Die bevorzugten Lebensräume sind:
- naturnahe Gärten mit Hecken, Sträuchern & Laubhaufen
- Obstwiesen, Feldränder & Waldränder
- Friedhöfe, Kleingartensiedlungen & Bahndämme
- möglichst vielfältige Strukturen mit Unterschlupfmöglichkeiten
Tagesverstecke & Winterquartiere:
- unter Hecken, Laub-, Ast- und Reisighaufen
- in Komposthaufen, Schuppen, Holzstapeln oder Igelhäusern
- wichtig: gut geschützt, trocken, frostsicher & ungestört
Neugeborenes
0-1 Woche
Nackt, rosa Haut, Stachelanlagen sichtbar. Augen & Ohren geschlossen, blind & taub – 12-25g
Nestling
(1-3 Wochen)
Weißliche Stacheln, dann braune; Fell spärlich. Augen öffnen sich ab ca. 14 Tagen – 25-100g
Jungtier
(3-6 Wochen)
Kleine Statur, bereits mobil, vollständig bestachelt. Beginnt feste Nahrung zu fressen – 100-200g
Heranwachsender
(6-10 Wochen)
Miniatur-Erwachsener, aktiv & selbstständig. Kann Nest verlassen, oft noch mit Mutter – 200-350g
Junger Igel
(Herbstjunges)
Klein, aber selbstständig; Winter naht. Untergewicht kann gefährlich sein! – <500g (im Herbst)
Erwachsener
(ab ca. 1 Jahr)
Voll entwickelt, kräftige Statur, geschlechtsreif – 600-1.200g
Alter Igel
(ab 4-5 Jahren)
Oft stumpfe Zähne, raues Fell, Narben. Deutliche Abnutzungserscheinungen möglich – variables Gewicht
Hinweise zur Alters- & Gesundheitsbeurteilung:
- Das Gewicht allein ist kein sicherer Altersindikator – es hängt stark von Jahreszeit, Gesundheitszustand & Futterangebot ab.
- Unter 500 g im Herbst (Oktober/November): Der Igel ist noch zu jung/schwach für den Winterschlaf und gilt als hilfebedürftig.
- Nestlinge und sehr junge Jungtiere (unter 150 g) benötigen immer professionelle Hilfe!
- Zahnzustand & Krallenlänge lassen in Kombination mit Fellbeschaffenheit und Verhalten manchmal Rückschlüsse auf das Alter zu (durch Fachpersonal).
Das Geschlecht lässt sich bei Igeln außerlich an der Position der Geschlechtsöffnung unterscheiden.
Lege den Igel dazu auf eine Glasplatte oder drehe ihn vorsichtig auf den Rücken. Achtung: Nicht drehen oder zwingen, wenn das Tier sich stark wehrt!
- Männchen (Igelbock) haben einen “Mini-Penis” mittig am Bauch (wirkt wie ein kleiner Knopf)
- Bei Weibchen (Igelin) liegen After und Vulva nahe beieinander; Zitzen sind sichtbar (v.a. bei säugenden Weibchen)
Igel sind Insektenfresser (insekten- und wirbellosenivor) – sie spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem, da sie Schnecken, Larven und andere bodenlebende Tiere fressen, die in Gärten und Feldern oft als Schädlinge
gelten.
Sie durchstöbern bei Dämmerung Büsche, Laub und Wiesen und spüren durch ihre feine Nase und dem guten Gehör ihre Beute im Dunkeln auf.
Typische Nahrung in der Natur:
- Käfer & Käferlarven (z. B. Engerlinge)
- Raupen & andere Insektenlarven
- Schnecken & Nacktschnecken
- Regenwürmer & Spinnen
- Asseln & Tausendfüßer
- Heuschrecken & Ohrwürmer
- seltener: tote Insekten, Aas, Vogeleier
Natürliche Feinde
- Uhu & andere große Eulenarten
- Dachs & Fuchs – meist nur bei jungen oder kranken Igeln
- Marderartige (z. B. Steinmarder)
- Greifvögel – in seltenen Fällen
- Parasiten wie Lungenwürmer, Zecken, Flöhe oder Milben können stark schwächen
Dank ihrer Stacheln sind gesunde adulte Igel relativ gut geschützt – die meisten natürlichen Feinde greifen nur an, wenn das Tier verletzt oder jung ist.
Klimatische Gefahren
- Frühe Fröste im Herbst → Jungigel finden nicht mehr genug Nahrung, um Winterschlafgewicht zu erreichen
- Späte Kälteeinbrüche im Frühjahr → schwächt bereits aufgewachte Tiere
- Hitze & Trockenheit im Sommer → erschwert Nahrungssuche und Dehydrierung
- Starkregen & Überschwemmungen → zerstören Nester & Unterschlüpfe
Mensch als größte Bedrohung
- Straßenverkehr – eine der häufigsten Todesursachen bei erwachsenen Tieren
- Gartenmaschinen wie Mähroboter, Trimmer oder Laubsauger → führen regelmäßig zu schweren Verletzungen oder Tod
- Schneckenkorn & Pestizide → indirekte Vergiftung durch vergiftete Beutetiere
- Drahtzäune, Kellerschächte, Gullys → Gefahr, stecken zu bleiben
- Plastikmüll, Netze, Teiche ohne Ausstieg → Ertrinken oder Verheddern
- Verlust von Lebensraum & Struktur durch Steingärten, sterile Rasenflächen, Versiegelung
Wichtig:
Viele Gefahren lassen sich mit einfachen Maßnahmen vermeiden – durch aufmerksames Gärtnern und igelfreundliche Gestaltung.
Igel sind nützliche Gartenbewohner und leiden stark unter Lebensraumverlust, Giften und der zunehmenden Versiegelung. Mit einfachen Mitteln kannst du ihnen helfen – ganzjährig!
Lebensraum erhalten & schaffen
- Laub- & Reisighaufen liegen lassen: natürliche Verstecke & Winterquartiere
- Unterschlupf schaffen: z. B. Igelhaus aufstellen oder Hohlräume unter Holzstapeln, Büschen & Hecken freihalten
- Wilde Ecken zulassen: keine „aufgeräumten“ Gärten – Insekten und Igel danken es dir
- Zugänge offenlassen: 10 × 10 cm große Durchgänge in Zäunen oder Mauern schaffen (Igel sind Weitwanderer!)
Gefahrenquellen vermeiden
- Keine Laubsauger oder Mähroboter verwenden – sie können Igel töten oder verletzen
- Fallgruben wie Kellerfenster, Schächte oder Teiche mit Ausstiegshilfe sichern
- Keine Pestizide oder Schneckenkorn einsetzen – Igel vergiften sich indirekt über kontaminierte Beute
- Komposthaufen vor dem Umsetzen prüfen – Igel überwintern dort gerne
Unterstützung durch Zufütterung
- Geeignetes Futter: Katzennassfutter (ohne Soße, mind. 80% Fleischanteil), angebratenes ungewürztes Hackfleisch, schlotziges Rührei
- Ungeeignet: Milch (führt zu Durchfall), rohes Ei, Obst, Gemüse oder Brot
Wasserstellen bereitstellen
- flache, sichere Tränken oder Schalen (zB Blumenuntersetzer)
- Täglich frisches Wasser, besonders in Hitzeperioden
- Bei tieferen Wasserstellen: Steine oder Äste als Ausstiegshilfe gegen Ertrinken
Hilfe im Winter
- Igel, die zu leicht sind (unter 500–600 g im Oktober), brauchen oft Hilfe – kontaktiere eine Wildtierhilfe
- Keine Igel aus dem Winterschlaf holen, es sei denn, sie sind verletzt oder entkräftet
- Bei milder Witterung können Igel nochmal aktiv werden – Futter & Wasser bereithalten!
Insektenreichtum fördern
- Vielfalt statt Zierrasen
Wildblumen, Klee, Brennnessel & heimische Stauden statt kurz geschorenem Rasen: So entstehen wertvolle Lebensräume für Käfer, Raupen & Co. - Totholz liegen lassen
Altes Holz, Wurzeln und Äste sind Brutplätze für Insekten – und Buffet für Igel. - Blühende Hecken & heimische Sträucher
Weißdorn, Holunder, Brombeere oder Hasel bieten Lebensraum und Nahrung – für Insekten und Igel. - Laubhaufen nicht entfernen
Sie sind nicht nur Quartiere für Igel, sondern auch Hotspots für Asseln, Spinnen, Tausendfüßler & Regenwürmer. - Keine Chemie!
Pflanzenschutzmittel, Kunstdünger und Insektizide töten direkt oder wirken sich auf die Nahrungskette aus – Hände weg davon! - Wilde Ecken zulassen
Brennnesselstreifen, Steinlinsen, verwilderte Beete – ein Paradies für Insekten und damit auch für Igel. - Kleinteilige Strukturen schaffen
Steinmauern, Laubhaufen, Wasserstellen, Beete, Hecken und Blumenwiesen in Kombination – das bringt Vielfalt und Nahrung.
Fortpflanzung & Nachwuchs bei Igeln
Igel bringen ihre Jungtiere ab Juni/Juli zur Welt – meist in gut versteckten Nestern unter Hecken, in Komposthaufen, Laubbergen oder dichtem Gebüsch. Die Nestlinge sind in den ersten Wochen vollständig auf ihre Mutter angewiesen. Wird das Nest zerstört oder die Mutter verjagt, droht der gesamte Wurf zu verhungern.
So kannst du helfen, Igelquartiere zu schützen:
- Laub- und Komposthaufen nicht umsetzen oder abbrennen, besonders zwischen Mai und Oktober – hier könnten Igelmütter oder Jungtiere schlafen oder nisten
- Vor Gartenarbeiten prüfen, ob sich Tiere in Hecken, unter Büschen oder in Holzstapeln versteckt haben
- Mähroboter nur tagsüber und unter Aufsicht einsetzen – Igel sind dämmerungs- und nachtaktiv und schlafen tagsüber oft im hohen Gras
- Kellerschächte, Gruben und Lichtschächte abdecken – sie können zu tödlichen Fallen für neugierige Jungtiere werden
- Keine Laubsauger oder -bläser verwenden – sie zerstören Quartiere und können Igel schwer verletzen oder töten
- Katzen aus Igelquartier-Zonen fernhalten, wenn bekannt ist, wo sich Nester befinden – vor allem in der Jungtierzeit
Nest zerstört? Das ist wichtig:
- Nestlinge niemals allein lassen! Sofort sichern, warm halten (z. B. mit einer lauwarmen Wärmflasche, in ein weiches Tuch gewickelt)
- Nicht füttern! Igeljunge haben empfindliche Verdauung – falsches Füttern kann lebensgefährlich sein
- So schnell wie möglich eine Wildtierhilfe oder Igelstation kontaktieren – dort kann man die Kleinen artgerecht versorgen oder eine Ersatzmutterstation finden
Bei günstigen Bedingungen (früher Frühling, ausreichend Nahrung, gesunde Muttertiere) können Igel zwei Würfe pro Saison haben:
- Wurf
Ende Mai – Juli
Paarung im April bis Mai, Geburt nach ca. 35 Tagen
2. Wurf
Anfang August – September
Nur wenn genug Futter vorhanden ist
Wurfgröße:
- In der Regel 4-7 Jungtiere pro Wurf
- Wichtig:
Störungen während der Säugezeit (z. B. durch Gartenarbeiten) können zum Nestverlassen oder sogar zum Töten der Jungen durch die Mutter führen. Bitte in dieser Zeit besonders vorsichtig sein!
Igel-Mütter sind alleinverantwortlich für die Aufzucht ihrer Jungen und zeigen ein bemerkenswertes Maß an Fürsorge – trotz ihrer sonst eher einzelgängerischen Lebensweise.
Typisches Verhalten:
- Bau wird gut versteckt angelegt – meist unter Hecken, Reisighaufen, Gartenhäusern oder Holzstapeln
- Die Jungen werden mehrfach täglich gesäugt, v. a. nachts und in den frühen Morgenstunden
- Die Mutter verlässt das Nest regelmäßig zur Nahrungssuche – das ist völlig normal
- In der Abwesenheit der Mutter liegen die Jungen zusammengerollt und schlafen
- Bei Störungen (z. B. Rasenmäher, Laubsauger, neugierige Haustiere) kann die Mutter das Nest verlassen oder verwerfen – daher möglichst Ruhe bewahren!
- Anders als manche Wildtiere trägt die Igelmutter ihre Jungen bei Gefahr nicht fort – ein gestörtes Nest kann also schnell zur Waisenstation führen
- Aufzuchtzeit: ca. 5–6 Wochen – danach werden die Jungtiere selbstständig und beginnen das eigene Revier zu erkunden
Gesundheit, typische Krankheiten und Pflege
Igel sind keine Fluchttiere im klassischen Sinn – ihre Hauptstrategie bei Gefahr ist das Einrollen zur Kugel. Das schützt ihre empfindlichen Körperpartien durch die Stacheln. Nur in Ausnahmesituationen versuchen sie sich fluchtartig zu entfernen – meist, wenn sie krank, gestört oder panisch sind.
Typisches Verhalten bei Bedrohung:
- Einrollen zur Kugel: Die Stacheln stellen sich auf, Gesicht und Gliedmaßen sind vollständig verborgen
- Abwehrschnaufen: kräftiges Fauchen, Schnauben oder Prusten als Warnsignal
- Vereinzelt panisches Davonlaufen, besonders bei kranken oder orientierungslosen Tieren – oft taumelnd, ziellos oder mit Koordinationsproblemen
- Kein gezieltes Fluchtverhalten wie bei flinken Wildtieren – Igel verlassen sich auf Tarnung, Stille und ihre Stacheln
- Licht, Lärm, Vibrationen oder Geruchsstörungen können zu Stress oder Nestverlassen führen – besonders bei Muttertieren
Achtung:
Igel, die tagsüber sichtbar umherlaufen, unkoordiniert fliehen oder sich bei Berührung nicht einrollen, sind fast immer krank, geschwächt oder hilfsbedürftig.
Igel sind dämmerungs- und nachtaktive Tiere – tagsüber offen sichtbar zu sein, ist meist ein Alarmsignal.
Auch andere Auffälligkeiten deuten darauf hin, dass das Tier Hilfe braucht:
Auffällige Warnzeichen:
- Tagsüber aktiv unterwegs (Ausnahme: kurze Aktivität tragender Mütter oder bei Futtermangel im Herbst)
- Klein, unterkühlt oder entkräftet – insbesondere bei Jungtieren unter 300 g
- Unkoordinierter oder torkelnder Gang, Kreislaufen, apathisches Liegen
- Sichtbare Verletzungen wie Wunden, Blut, Schwellungen, heraushängende Gliedmaßen
- Stark verschmutzt oder mit Fliegeneiern / Maden befallen
- Verwaiste Jungtiere außerhalb des Nests, besonders tagsüber, schreiend oder zitternd
- Nicht eingerollt bei Berührung – gesunde Igel rollen sich reflexartig ein
- Lautes, angestrengtes Atmen oder Röcheln
- Kälteempfindlich – Igel sollten sich nie deutlich kühl anfühlen (Bauch)
Wichtig:
Igel sind Wildtiere – bitte nie mit bloßen Händen anfassen (Infektionsgefahr + Stress für das Tier)!
Verwende Handschuhe oder ein weiches Tuch, sichere das Tier in einem durchlüfteten Karton mit Stoffeinlage, und kontaktiere so bald wie möglich eine Wildtierhilfe oder Igelstation.
Wichtig:
Igel sind geschützte Wildtiere, die bei Stress oder falscher Handhabung stark geschwächt werden können. Eine ruhige,
sichere Sicherung ist entscheidend für ihr Überleben – besonders bei Jungtieren, Verletzungen oder starker Unterkühlung.
Grundregeln:
- Nur mit Handschuhen oder Tuch anfassen – Schutz vor Stacheln & Parasiten (z. B. Fliegeneier, Zecken, Milben)
- In einem gut belüfteten Karton oder einer Transportbox sichern
- Größe: ca. 30–40 × 30 cm, Deckel mit Luftlöchern
- Ausgelegt mit weichem Stoff (kein Zeitungspapier!), z. B. Frotteehandtuch oder Vlies
- Keine Gitterkäfige oder offenen Kisten – Grifföffnungen ausbruchssicher abkleben!
→ Gefahr von Ausbruch, Verletzung oder Unterkühlung
Tipps zur Beruhigung:
- Box mit einem Tuch abdecken → Dunkelheit beruhigt
- Ruhig und warm stellen – keine Stimmen, keine Haustiere
- Nicht gleich füttern oder tränken!
→ Erst aufwärmen und Tierarzt/Wildtierhilfe kontaktieren - Wärme nur indirekt zuführen:
z. B. halbe Wärmflasche oder Kirschkernkissen unter die Hälfte der Box legen (nicht direkt ans Tier)
Was tun bei Fund von augenscheinlich gesunden Jungtieren?
- Auffällige Merkmale: Klein (< 300 g), tagsüber unterwegs, wacklig oder fiepend
- Nicht einfach im Garten belassen! – Mutter könnte verschwunden sein
- Warmhalten, beobachten, Kontakt zur Fachstelle aufnehmen
- Rückführung zur Mutter nur mit fachlicher Beratung!
(z. B. kontrolliertes Wieder-Aussetzen am Fundort am Abend)
Sobald das Tier gesichert ist: Immer Kontakt zur Igelstation, Wildtierhilfe oder einem tierkundigen Tierarzt aufnehmen!
Fliegeneier / Madenbefall
Gelblich-weiße „Reiskörner“ im Fell, an After, Augen, Ohren, Wunden; Maden sichtbar
-> sofort mit feuchtem Wattestäbchen entfernen, Tier sichern & Fachstelle kontaktieren
Verletzungen (Auto, Mähroboter, Tiere)
Blutungen, offene Wunden, Schleifen eines Beins, Lahmheit
-> Tier sichern, nicht reinigen, keine Salbe – direkt zur Wildtierstation oder Tierarzt
Lungenwurmbefall
Husten, rasselnde Atmung, Apathie, oft bei Igeln < 600 g im Spätsommer/Herbst
-> Fachkundige Entwurmung erforderlich – keine Selbstmedikation!
Unterkühlung / Schwäche
Kalter Körper, apathisch, kaum Reaktion, wackliger Gang
-> Sofortige Wärme, Ruhe, Fachstelle informieren – keine Fütterung vor Aufwärmung
Durchfall / Kotverklebung
Weicher bis flüssiger Kot, häufig stinkend, After verklebt
-> Kein Trockenfutter geben – Flüssigkeitsverlust droht – tierärztlich abklären lassen
Stachelausfall / Milben / Pilz
Kahlstellen, schuppige Haut, Stachelverlust, verkrustete Ohren
-> Fachkundige Behandlung nötig – Milben & Pilze können sich schnell ausbreiten
Zecken / Flöhe / Milben
Sichtbare Parasiten im Fell oder zwischen den Stacheln
-> Einzelne Zecken mit Pinzette entfernen, kein Spot-On!
Vergiftungen
Erbrechen, Krämpfe, starkes Speicheln, Unruhe
-> Sofort Tierarzt – mögliche Köderaufnahme oder Pflanzenschutzmittel
Verhungerung / Dehydrierung
Eingefallene Flanken, knochiger Rücken, eingefallene Augen, trockene Haut
-> Wärme + Elektrolytlösung unter Anleitung, keine übereilte Fütterung
Nach tierärztlicher Behandlung brauchen Igel Ruhe, Wärme, artgerechte Pflege und möglichst wenig Stress, um sich gut zu erholen.
Wichtige Pflegeelemente
- Ruhe & Rückzug:
Unterbringung in ruhigem, abgedunkeltem Raum ohne Haustiere, TV, Radio oder lauten Stimmen.
Box oder Käfig mit Unterschlupf (z.B. Kartonhäuschen mit Eingang), für ein Gefühl von Sicherheit - Wärme:
Besonders bei jungen, geschwächten oder unterkühlten Tieren lebenswichtig. Am besten mit Wärmflasche + Handtuch oder SnuggleSafe.
Temperatur regelmäßig kontrollieren, um Überhitzung zu vermeiden - Artgerechte Nahrung:
Angepasst an Alter & Zustand, bei starkem Untergewicht Futter auf mehrere kleine Portionen täglich aufteilen.
Absprache mit Fachstelle bei speziellen Diäten oder Zufütterung - Flüssigkeitsversorgung:
Bei Dehydrierung ggf. unter Anleitung Elektrolytlösung geben. Trinknäpfe flach und standfest.
Keine Zwangsfütterung – lieber Geduld & Fachhilfe - Sauberkeit & Hygiene:
Täglich Box oder Käfig säubern. Bei Pilz- oder Parasitenbefall auf nur desinfizierbare Materialien verwenden.
Futterreste nach 1-2 Stunden entfernen – Fliegengefahr! - Kontaktarmut:
Igel sind Wildtiere – möglichst wenig anfassen. Kein Streicheln oder “Zähmen” – Stress verlangsamt die Heilung.
Handschuhe oder Tuch bei jeder Berührung verwenden.
- Vorbereitung auf Auswilderung:
Auswilderung immer in Rücksprache mit Fachstelle und nur am Fundort oder geeignetem Habitat
💡 Tipp:
Igel benötigen je nach Zustand zwischen wenigen Tagen und mehreren Wochen zur vollständigen Genesung. Beobachte das Tier täglich, führe ein Gewichtstagebuch – und bitte bei Rückfällen oder Unsicherheiten immer die
Wildtierhilfe kontaktieren.
Die richtige Ernährung ist entscheidend für die Genesung – je nach Alter, Zustand und Gewicht unterscheiden sich die Anforderungen.
Jungtiere (bis ca. 250-300g)
- Keine Kuhmilch! → Stattdessen: Aufzuchtmilch für Katzenbabys (z. B. Royal Canin Babycat Milk, KMR, Beaphar Kitty Milk)
- Fütterung mit Spritze oder Pipette (immer körperwarm!)
- Häufige, kleine Mahlzeiten: alle 2–3 Stunden (auch nachts bei sehr jungen Tieren)
- Ab ca. 150–200 g: erste feste Nahrung anbieten (z. B. ungewürztes Rührei, Katzenfutter püriert)
Halbwüchsige Igel (ca. 300-600g)
- Hochwertiges, getreidefreies Nassfutter für Katzen (hoher Fleischanteil, ohne Zucker)
- Zusätzlich möglich: angebratenes Hackfleisch (ungewürzt), ungewürztes Rührei, gekochtes Huhn
- Ggf. Insekten als Ergänzung (z. B. Mehlwürmer, Heimchen – besser in getrockneter Form, da hygienischer)
- Täglich frisches Wasser anbieten (flacher Napf)
Erwachsene Igel (ab ca. 600g)
- Hauptnahrung: Nassfutter für Katzen (oder spezielles Igelfutter, wenn hochwertig)
- Ergänzend:
- etwas Rührei
- getrocknete Insekten (nur in kleinen Mengen)
- zerkleinerte Eintagsküken oder Insektenmix bei starker Abmagerung (nach Absprache)
- Kein Trockenfutter als Hauptnahrung – zu hart, zu wenig Feuchtigkeit
- Fütterung bevorzugt abends – entspricht dem natürlichen Rhythmus
Tipps zur Fütterung in der Pflege
- Schwache oder dehydrierte Igel zuerst stabilisieren, dann füttern (Wärme & Flüssigkeit!)
- Bei Untergewicht: Futter in mehreren kleinen Portionen über den Tag verteilt
- Immer Zimmertemperatur – kaltes Futter wird schlecht vertragen
- Napf flach, rutschfest und leicht zu reinigen
- Futterreste täglich entfernen – Fliegen- und Hygienegefahr!
Ungeeignetes Futter – bitte vermeiden!
- Kuhmilch, Sahne
-> verursache schwere Verdauungsprobleme - Brot, Nudeln, Reis
-> keine Nährstoffe für Igel, bläht auf
- Obst, Gemüse
-> unnötig, oft schlecht verträglich - Gewürzte, gesalzene oder süße Speisen
-> schädlich für Organe und Verdauung - Hunde- oder Billig-Katzenfutter
-> zu wenig Fleisch, oft Zucker/Getreide
Igel sind keine Fluchttiere – sie reagieren auf Angst oder Bedrohung meist mit Erstarren oder Einrollen. Das macht die Stressanzeichen oft schwer erkennbar.
Anzeichen für Stress
- Einrollen bei kleinster Berührung – auch bei vertrauten Pflegern
- Heftiges Zucken oder Rucken beim Atmen („Zucken im Stachelkleid“)
- Fauchen, Prusten, Zähneknirschen
- Versteifung des Körpers im eingerollten Zustand
- Unruhe in der Box, z. B. Hin- und Herlaufen oder Kratzen an den Wänden
- Futterverweigerung trotz körperlicher Fitness
- Kotveränderung durch Stress – z. B. weicher, dunkler oder stinkender Kot
- Apathisches Verhalten, wenn der Stress über längere Zeit anhält
Wichtig zu wissen
- Jungtiere oder geschwächte Igel zeigen bei starkem Stress teils keine aktiven Reaktionen mehr – sie wirken dann wie „ausgeschaltet“
- Stress schwächt das Immunsystem massiv – das Risiko für Infektionen, Parasiten und Kreislaufprobleme steigt
- Häufige Ursachen:
laute Geräusche, zu helles Licht, häufiges Anfassen, Haltungswechsel, Artgenossen in direkter Nähe (Einzelhaltung empfohlen!)
Tipps zur Stressvermeidung
- Möglichst ruhige, dunkle Umgebung
- Nur wenn nötig anfassen – immer mit Handschuhen oder Stoff
- Box nicht offen stehen lassen – Igel brauchen Rückzugsort
- Kontakt zu Menschen auf das Nötigste begrenzen
- Bei Pflege: regelmäßige, ruhige Abläufe, keine ständigen Wechsel der Umgebung
- Keine Zähmungsversuche – Igel bleiben Wildtiere!
Die Rückkehr in die Freiheit muss gut vorbereitet sein – Zeitpunkt, Gewicht und Witterung sind entscheidend.
Wann ist eine Auswilderung möglich?
Eine Auswilderung sollte nur erfolgen, wenn der Igel:
- gesund und vollständig fit ist (kein Husten, Schnupfen, Durchfall oder Lahmen)
- ausgewachsen genug ist: mind. 600–700 g im Sommer, mind. über 800 g im Herbst/Winter
- selbstständig frisst und trinkt
- wach und aktiv ist, d. h. nachts rege unterwegs und nicht lethargisch
- wetterfest ist (kein Zittern oder Kältezustände trotz Außenhaltung)
Vorbereitungsphase
- Vor dem Freilassen: mindestens 1 Woche Außengewöhnung in einem gesicherten, naturnahen Auswilderungsgehege
- Tägliche Kontrolle auf Futteraufnahme, Aktivität und Gewicht
- Kein menschlicher Kontakt mehr – Wildverhalten muss erhalten bleiben
- Schutzmöglichkeiten anbieten: z. B. Igelhaus, Laubhaufen, trockene Ecke im Gehege
- Gehege standortnah zum späteren Auswilderungsplatz wählen (Orientierungshilfe)
Weitere wichtige Hinweise
- Freilassung nur abends oder in der Dämmerung, niemals tagsüber
- Nur bei geeignetem Wetter: trocken, frostfrei, mind. 5 °C nachts
- Optimalzeit für Auswilderung:
- Frühling bis Spätsommer bei Jungigeln
- Frühherbst bei Spätwürfen (sofern über 800 g)
- Ort möglichst in der Nähe des Fundorts oder in igelfreundlichem Gelände:
- strukturreiche Gärten, Wiesen, Waldränder
- kein Straßenrand, keine reinen Schottergärten!
- In besonders harten Wintern ggf. betreute Überwinterung in Schutzstation erwägen
Im Zweifel gilt:
→ Immer Rücksprache mit einer Igelhilfe oder Wildtierstation halten!
Eine verfrühte oder schlecht vorbereitete Auswilderung kann tödlich enden – gerade für Jungtiere oder ehemalige Pfleglinge.